Simon Wiedemann

Nach einem Streit in der Beziehung kommt es nicht auf den Streit selbst an, und schon gar nicht darauf an, worum es geht. Entscheidend ist, wie ihr auf negative Gefühle in der Beziehung reagiert. Wenn ihr die negativen Emotionen in diesen Situationen verdrängt, werdet ihr euch vielleicht wieder zusammenraufen, aber mit der Zeit häufen sich die kleinen und bedeutungslosen Vorfälle, und anstatt die Hand deines Partners/deiner Partnerin zu ergreifen, zeigst du mit dem Finger und verschränkst die Arme. Anstatt in Ruhe darüber zu reden, auch wenn ihr nicht einer Meinung seid, verletzt ihr euch gegenseitig und das Vertrauen und die Verbindung zwischen euch beginnen zu erodieren.

Die Auswirkungen negativer Vorfälle

Negative Ereignisse wird es in Beziehungen immer geben und Paare werden sich immer streiten, aber das ist nicht der Grund, warum sich Paare trennen. Beziehungen scheitern, wenn sich die Geschichte des Paares, die gemeinsamen Überzeugungen und die allgemeine Einstellung zu ihrer Beziehung auf die Probleme konzentrieren, die die Partner verursachen, und nicht auf die Liebe, die die Partner bieten, und wenn die allgemeine Einstellung zum Partner/zur Partnerin und zur Beziehung negativ wird.

Was Paare brauchen, um sich gegen diese Art von Negativität abzusichern, ist eine „positive Perspektive“ auf ihre Beziehung. Dazu musst du dich an die guten Dinge erinnern, die ihr in eurer Beziehung teilt, wie sehr du deinen Partner/deine Partnerin bewunderst und schätzt und wie sehr du seine/ihre Fehler akzeptierst und verstehst, auch wenn daraus Konflikte entstehen. Der Trick ist, zu lernen, wie man auf eine Art und Weise streitet, die keinen Schaden verursacht und das Verständnis erhöht.

Wenn du jedoch eine negative Perspektive einnimmst, trennst du dich langsam von deinem Partner/deiner Partnerin, manchmal ohne es zu merken. Wenn du ständig daran denkst, wie negativ du dich in deiner Beziehung fühlst, könntest du aufhören zu glauben, dass dein Partner/deine Partnerin „hinter dir steht“ und nur dein Bestes im Sinn hat. Das Potenzial für eine Trennung und Betrug steigt mit der Zeit. Die guten Gefühle, die du einst hattest, werden dann durch Einsamkeit, Frustration und Wut ersetzt, da die Negativität die Oberhand gewinnt und alle positiven Geschichten, Erinnerungen und Gefühle dominiert.

Diese Übersteuerung mit negativen Gefühlen führt dazu, dass ihr die guten Erinnerungen vergesst, oder sie einfach als Abweichung in einer negativen Beziehung abtut.

Strebt danach, euch in der Liebe füreinander zu übertreffen

Gaius Musonius Rufus (25 n. Chr.) wurde einmal gefragt, wie man sich in einer Ehe zeigen sollte, und er gab einen der besten Ratschläge für die Ehe: „In der Ehe müssen Mann und Frau vor allem füreinander da sein und füreinander sorgen, sowohl in Krankheit als auch in Gesundheit und bei jeder Gelegenheit. Jede Partei, die eine Ehe eingeht, wünscht sich das … Wenn diese gegenseitige Fürsorge vollständig ist und die Zusammenlebenden sich gegenseitig vollständig versorgen, wetteifert jeder darum, den anderen in dieser Fürsorge zu übertreffen. Eine solche Ehe ist bewundernswert und verdient es, nachgeahmt zu werden. …”

Wir wollen (spielerisch) mit unseren Partnern wetteifern, wie viel Fürsorge und Zuneigung wir ihnen geben können.

Der Autor Phil Stutz wird von seinen Klient*innen immer wieder gefragt: „Wie gehe ich mit meinem Partner/meiner Partnerin um, wenn er/sie nicht X, Y, Z macht?“. Er sagt: „Mach dir keine Sorgen darüber, was dein Partner/deine Partnerin einseitig macht. Liebe deinen Partner/deine Partnerin so sehr du kannst, sei so integer mit deinen Tugenden, wie du es selbst sein kannst, unabhängig davon, wie dein Partner/deine Partnerin auf dich reagiert.“ 

Wenn du also ein Problem in der Beziehung hast, oder Probleme mit dir selbst, dann gehe in dich und überlege, ob dich eine Verhaltensänderung auf deiner Seite weiterbringt. Was kannst du heute auf deiner Seite tun, was sich positiv auf eure Ehe/Beziehung auswirkt?

Lebe das erste Prinzip, um die negative Perspektive zu durchbrechen

Kennst du jemanden, den du gerne verändern und verbessern würdest?
Meine Frage an dich: “Warum nicht bei dir selbst anfangen?”

Vom rein egoistischen Standpunkt aus gesehen ist das viel profitabler, als zu versuchen, andere zu verbessern. ‚Beschwere dich nicht über den Schnee auf dem Dach deines Nachbarn‘, sagte Konfuzius, ‚wenn deine eigene Türschwelle nicht sauber ist.‘

Das Prinzip: „Kritisiere und verurteile nicht.“

Benjamin Franklin sagte dazu einst: „Jeder Narr kann kritisieren, verurteilen und sich beschweren – und die meisten Narren tun das auch. Aber es braucht Charakter und Selbstbeherrschung, um verständnisvoll und nachsichtig zu sein.“

Die Definition von Kritik ist, dass man seine Beschwerden als Fehler in der Persönlichkeit des Partners bezeichnet, das heißt, dem Partner/der Partnerin negative Eigenschaften zuschreibt. Das Gegenmittel ist ein sanfter Einstieg in eine Konfliktdiskussion, das heißt mit Ich-Botschaften über seine Gefühle zu sprechen und dann ein positives Bedürfnis zu äußern. Ein positives Bedürfnis ist das positive Rezept, das dem Partner/der Partnerin helfen kann, dass ihm/ihr zugehört wird.

Mit anderen Worten: Das Gegenmittel gegen Kritik ist, sich zu beschweren, ohne Schuldzuweisungen zu machen. Vermeide es, „Du“-Aussagen zu machen und ein negatives Urteil zu fällen, denn dadurch fühlt sich dein Partner/deine Partnerin angegriffen.

Wusstest du, dass der weitere Verlauf einer Interaktion zwischen Partnern, in den ersten 3 Minuten des Gesprächs vorhergesagt werden kann? In einer sechsjährigen Studie wurde die Wahrscheinlichkeit der Scheidung eines Paares vorhergesagt, indem nur die ersten drei Minuten einer Konfliktdiskussion beobachtet wurden.

Die Paare, die sich scheiden ließen, begannen ihre Diskussionen mit vielen negativen Emotionen und zeigten viel weniger positive Äußerungen als die Paare, die sechs Jahre später zusammenblieben. Die Paare, die sich scheiden ließen, waren nicht nur negativ gestimmt, sondern kritisierten sich auch gegenseitig.

Die Studie ergab, dass Diskussionen mit dem gleichen Ton enden, mit dem sie beginnen. Wenn du also einen Streit/ein Gespräch hart beginnst, indem du deinen Partner angreifst, wirst du am Ende mindestens genauso viel Spannung haben wie am Anfang, wenn nicht noch mehr. Wenn wir also unsere Beziehungen verbessern wollen, müssen wir uns an dieses Prinzip erinnern: “Kritisiere und verurteile nicht.“

Was sollten wir stattdessen tun?
An uns selbst arbeiten!

Will Bowen ist der leitende Pfarrer der Christ Church Unity in Kansas City, Missouri, und hat darüber ein ganzes Buch mit dem Titel „A Complaint Free World“ geschrieben. Die Grundidee: Versuche, 21 Tage ohne Beschweren, Kritisieren oder Tratschen auszukommen. Ich habe diese Herausforderung immer noch nicht geschafft, aber ich versuche darin ständig besser zu werden.

Dale Carnegie schreibt in seinem Buch “Wie man Freunde gewinnt und Menschen beeinflusst” dazu: „Anstatt Menschen zu verurteilen, sollten wir versuchen, sie zu verstehen. Versuchen wir herauszufinden, warum sie tun, was sie tun. Das ist viel gewinnbringender und interessanter als Kritik; und es erzeugt Sympathie, Toleranz und Freundlichkeit. Alles zu wissen, heißt, allen zu vergeben.“

Es gibt immer eine Teil-Wahrheit zu jeder Perspektive. Wenn wir unsere Kommunikation verbessern wollen, sollten wir zu Beginn eines Dialogs versuchen, die Sichtweise unseres Partner/unserer Partnerin zu verstehen, eine gemeinsame Basis zu finden und uns dann (und nur dann) respektvoll an die Ränder möglicher Meinungsverschiedenheiten herantasten.

Wir sehen die Dinge nicht so, wie sie sind, sondern wie wir sie sehen.

Anaïs Nin

Schaffe eine neue Gewohnheit, um Negativität zu durchbrechen

Bist du bereit die Idee von Will Bowen aufzugreifen und in deiner Beziehung umzusetzen. Schaffst du 21 Tage ohne Beschweren, Kritisieren oder Tratschen? Auch wenn nur du alleine diese Herausforderung annimmst, wird sich die Dynamik in deiner Beziehung ändern. Das verlangt viel Kraft von dir und die Stärke für zwei, besonders wenn du den Eindruck hast, dass dein Partner/deine Partnerin sich aus eurer Beziehung zurückgezogen hat. Wenn du also das nächste Mal eine Meinungsverschiedenheit mit ihm oder ihr hast, überprüfe deine eigenen Reaktionen. Anstatt dich zu verschließen oder kritisch zu werden, nimm eine widerstandsfähige Haltung an. Schaffe eine neue Gewohnheit im Umgang mit negativen Interaktionen, und erkenne die Richtung einer Interaktion schon daran, wie sie beginnt.

Dazu ein Zitat aus dem Buch “Happy Together” von Suzann Pawelski und James Pawelski: „Gute Gewohnheiten in unserer Beziehung zu entwickeln, ist natürlich viel leichter gesagt als getan.“ Hier sind drei Ansätze, welche dir dabei helfen können:

“1. Beginne stark. Je stärker wir motiviert sind, eine neue Gewohnheit zu beginnen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir erfolgreich sind. Eine Möglichkeit, unsere Motivation zu steigern, ist, öffentlich anzukündigen, was wir vorhaben. Das macht es unseren Freunden leicht, uns beim Erreichen unseres Ziels zu unterstützen, und macht es uns schwer, von unserem Vorhaben abzurücken.

2. Keine Ausnahmen. Wir denken vielleicht, dass wir uns eine Auszeit gönnen können, wenn wir ein paar Tage lang nach dem neuen Verhalten gehandelt haben. Aber wir müssen dann wahrscheinlich wieder ganz von vorne anfangen.

3. Übe dich darin, deinen Willen zu trainieren. Mache jeden Tag etwas Schwieriges, nur weil es schwierig ist. Dadurch kann der Wille gestärkt werden, so dass er einsatzbereit ist, wenn wir ihn brauchen.”

Wie oben geschrieben, habe ich die Idee von Will Bowen bisher noch nicht geschafft für 21 Tage umzusetzen. Mehrere Tage gelingen mir sehr gut, und ich strebe danach jeden Tag besser zu werden.

Der wichtigste Teil eine neue Gewohnheit zu lernen, besteht darin, die neue Gewohnheit auch wirklich zu leben. Denke über das letzte Mal nach, als du deinen Partner/deine Partnerin kritisiert oder dich bei ihm/ihr auf eine negative Art und Weise beschwert hast. Nimm dir einen Moment Zeit, um zu sehen, wie du die Dinge ein bisschen anders hättest machen können.

Verurteilt euch nicht, wenn ihr scheitert

Solltest du in der Herausforderung, 21 Tage ohne Kritik und Beschwerden zu leben, einmal “ausrutschen”, ist noch lange nicht alles verloren. Sei in diesen Situationen bescheiden und gib zu, wenn du dich irrst, oder zu harsch warst. Übernimm die Verantwortung für deine Fehler und Schwächen, anstatt zu versuchen, sie zu ignorieren oder zu verteidigen.

Die großartige Marie Forleo schreibt dazu in ihrem Buch „Everything Is Figureoutable“: „Denke über das Wort ‚Scheitern‘ folgendermaßen nach: Es ist ein treuer Versuch beim Lernen. Ein glaubwürdiger Versuch zu lernen. Es ist nichts, wovor man sich fürchten muss, und nichts, was man vermeiden sollte. Aus dieser Perspektive ist das Scheitern keine Panne auf deinem Weg, sondern ein Muss. So klischeehaft es auch klingt: Du kannst nur dann wirklich scheitern, wenn du aufhörst zu lernen und zu wachsen.“

Also, was sagst du zu dir selbst, wenn du auf deine alte, gewohnheitsmäßige, suboptimale Reaktion triffst, wenn du von deinem Partner/deiner Partnerin kritisiert wirst? Was sagst du zu dir, wenn du deinen Partner/deine Partnerin kritisierst?

„Das sieht mir gar nicht ähnlich. Das bin ich nicht und will ich nicht mehr!“

Du willst nicht, dass diese kleinen negativen Momente zu noch mehr Verbitterung heranwachsen, und du dich von der Kritik deines Partners/deiner Partnerin hinreißen lässt. Nimm einen tiefen Atemzug. Hör auf dein Herz. Lächle! Trete einen Schritt zurück, und frage dann deinen Partner/deine Partnerin: „Was brauchst du wirklich von mir?“ oder „Was bedeutet das für dich? Erzähl mir mehr.“

Das bedeutet auch, dass du deinem Partner/deiner Partnerin wirklich zuhören musst, bevor du dir eine Antwort ausdenkst oder etwas abtust, mit dem du nicht einverstanden bist, damit du seine/ihre Perspektive verstehen kannst.

Nimm diese Herausforderung gemeinsam mit mir an, und verändere den Verlauf von Konfliktdiskussionen, noch bevor sie beginnen. Erlebe die Magie dieser Veränderung in deiner Beziehung, und mit jedem erfolgreichen Tag kannst du zu dir sagen:

„Das sieht mir ähnlich. Das bin ich!“

Das ist das neue Du, mit neuem Selbstwertgefühl, von Tag zu Tag, von Interaktion zu Interaktion, auf dem Weg zu mehr Verständnis über dich selbst, über deinen Partner/deine Partnerin, und einer positiven Perspektive in eurer Ehe/Beziehung.

Selbstwertgefühl ist, wie du dich fühlst, wenn du dich mit ganzem Herzen für lohnenswerte Dinge einsetzt; es ist, wie du dich selbst erlebst, wenn du deine Fähigkeiten voll und ganz in den Dienst dessen stellst, was du zutiefst schätzt.

Ich ermutige dich, deinen Freunden und deiner Familie von deiner Verpflichtung zu erzählen, das Gute in deinem Partner/deiner Partnerin zu lieben, deinen Partner/deine Partnerin bei der weiteren Entwicklung in diesem Guten zu unterstützen und daran zu arbeiten, selbst ein besserer Mensch zu werden.

Über den Autor

Simon ist unter anderem spezialisiert auf die Bewältigung von Untreue in Paarbeziehungen und hilft Menschen auf der Suche nach größerem Bewusstsein für ihre Ehe und der Liebe, welche sie täglich leben wollen. Simon arbeitet mit Menschen, um ihre schwierigen Beziehungen tiefgreifend und systematisch in vollständig emotional verbundene, authentische Partnerschaften zu verwandeln.

Simon ist ausgebildet in der Paartherapie nach der Gottman Methode, ist "Seven Principles for Making Marriage Work" Gottman Method Leader, und verfügt durch Weiterbildungen über das Wissen für die Behandlung von durch Sucht betroffene Paare, für die Behandlung von Affären und Traumata in Paarbeziehungen, und für emotionales Coaching von Kindern.

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